Dresdner Nachrichten 14.05.09
Das Schweigen der Frauen
Edda Scholz eröffnet gemeinsam mit Breschke und Schuch ihre Ausstellung „Prosecco-Kälber“
Wer sich redlich für den Inhalt dieses Artikels und das, was er beschreibt, interessiert, sollte vor dessen Lektüre Folgendes tun: sich eine Flasche Prosecco besorgen und diese zügig austrinken, am besten allein. Danach die Wand anstarren und sich vorstellen: Jawohl, ich bin ein Künstler. Jawohl, irgendwo in mir ist etwas, das ich der Welt mitteilen möchte, so eine Art Botschaft. Welche Botschaft das ist, muss im Vorfeld nicht klar definiert worden sein. Das Entscheidende ist: Man legt erst mal los mit allem, was einem zur Verfügung steht – Ketchup, Farbe, Gänseschmalz, Buntstiften... Dann lehnt man sich zurück, betrachtet das Erschaffene und hofft, das der Lebensabschnittsgefährte, der gleich durch die Tür kommt, tatsächlich so verständnisvoll ist, wie er andauernd tut.
Immer noch keine Ahnung, was diese Einleitung bezwecken soll und trotzdem drangeblieben? Sehr gut. Schließlich erging es den Zuschauern der Kabassage ähnlich. Was sie bereits wussten, war: Edda Scholz (auf dem Foto sitzend), eine Malerin, deren Bilder bis zum 3. August im Kabarett Breschke & Schuch (Wiener Platz 10, 01067 Dresden) ausgestellt sind, hatte die Idee ihre Vernissage deftig mit Kabaretthäppchen zu würzen und daraus gemeinsam mit den beiden Hausherren Breschke und Schuch, dem Musiker Jörg Lehmann und der Tänzerin Anne Sehm eine neue Kunstform – die Kabassage – zu kreieren. Bei letzteren soll sich natürlich alles um die Kunst drehen und unter anderem auch die Frage geklärt werden: Was ist Kunst überhaupt? Wie entsteht Kunst?
Klingt gut, haben sich die meisten gedacht und eine Karte geholt. Wie viele von ihnen sich tatsächlich erhofft hatten, eine Antwort auf diese Frage zu bekommen, weiß man natürlich nicht. Herausgegangen während der Vorstellung ist aber keiner, was dafür sprechen könnte, dass die Botschaft der Kabassage angekommen ist.
Welche Botschaft das ist, muss im Vorfeld nicht klar definiert worden sein. Das Entscheidende ist: Man legt erst einmal los mit allem, was einem zur Verfügung steht. Zweifelsohne können Manfred Breschke und Thomas Schuch auf einiges, abgesehen von ihrem langjährigen kabarettistischen Erfahrungen, zurückgreifen. So zum Beispiel auf Herrn Lehmann, der nicht nur am Akkordeon und Sideboard ganz hervorragend einsetzbar ist. Auch in Sprechrollen ist er offenbar sehr gut zu gebrauchen. Sowie Frau Sehm, die einen traumwandlerischen Mal-Amoklauf durchtanzt und demonstriert. Malen könnte unter Umständen einiges mit Erotik zu tun haben.
Je wilder, desto besser also? Nicht unbedingt. Die Kabassage bestand zu einem Großteil aus kabarettistisch ungewohnt leisen Tönen, die mit lautem Applaus bedacht wurden. Ob leise oder laut: die Kabassage war eine stimmige Kakophonie, eine mehrstimmige Gemeinschaftsleistung. Manfred Breschke durfte man beschwingt tänzelnd und Thomas Schuch sogar ganz ernst erleben. Eindeutig erlebenswert waren beide in all den Rollen, die sie sich für diesen einmaligen Abend zugemutet haben. Vorerst wirklich einmalig, denn leíder wird die Kabassage nicht bald wieder zu sehen sein.
Und was hatten der Prosecco und das Schweigen der Frau jetzt mit alldem zu tun? Der Prosecco war im Ticketpreis inbegriffen, ist ein Teil des Ausstellungstitels „Prosecco-Kälber“ und angeblich die künstlerische Stimulans für Edda Scholz. Was sie dazu meint und welche Botschaft sie wirklich hat, könnte man vermutlich aus ihren Bildern erlesen. Bei der Kabassage hatte sie wenig zu sagen und bewies eindrucksvoll Hausherren und Publikum: Frauen können wirklich schweigen, selbst dann, wenn man sie nicht ausreden lässt. Man darf nicht vergessen: das ganze ist ja schließlich ihre Idee gewesen.
Radostina Velitchkova